https://www.are.na/hospiz-der-faulheit/kunstkasten-winterthur

 

Die Arbeit war ursprünglich anders geplant. Die gegenwärtigen Umstände haben jedoch ein Umdenken erfordert. Während die thematischen Bezüge weitgehend dieselben geblieben sind, haben wir – das HOSPIZ DER FAULHEIT – den Schwerpunkt nochmals etwas verlagert. Das Nichts-Tun im Verhältnis zur Arbeit, aber auch zum Handeln, eines unserer zentralen Themen, erhält in aussergewöhnlichen Zeiten wie diesen einen neuen Stellenwert. Während ganze Industrien stillstehen, kollabieren andernorts die Überlasteten. Die einen werden zur Untätigkeit gezwungen, den anderen bleibt kaum Luft zum Durchatmen. Das verbindende Element zwischen den beiden Extremen ist die (Für-)Sorge – Care. In den Krankenhäusern und überall sonst, wo Kranke zur Zeit gepflegt werden, ist es offensichtlicher als in den privaten Räumen, in denen Eltern lernen im Home Office zu arbeiten, während sie sich um Ihre Kinder kümmern müssen, oder Alleinstehende der Einsamkeit mit Videocalls begegnen. 

Die Sorge ist nicht nur, was die Situation erst erträglich macht, sondern auch der einzige Ausweg. Nur sie stellt sicher, dass die Zahl der Angesteckten zurück gehen kann. Aus Sorge bleiben wir zuhause und distanzieren uns voneinander so gut es geht. Trotz der gewissen Freiwilligkeit sind dies keine leicht erträglichen Massnahmen, die uns alle an die eine oder andere Grenze bringen. Auch hier wird deutlich, dass nur Zuneigung, Verständnis und Solidarität der Unsicherheit, Angst und Einsamkeit begegnen können. Trotz der Distanz rückt man zusammen. 

Unabhängig des Szenarios, dem man folgt und der Prognosen, die daraus zu schliessen sind, werden wir noch eine ganze Weile mit Einschränkungen zu leben haben. Die Leere im kunstkasten ist eine Enthaltung, die die Aufmerksamkeit auf die ambivalente Leere richten soll, die diese seltsame Zeit begleitet. Die Leere im Himmel, der in seiner plötzlichen Endlosigkeit surreal anmutet ohne die Kondensstreifen, die die Linien der Menschenströme nachzeichnen (ebenfalls eine Markierung eines Aufatmens aller jener, die sich ums Klima sorgen). Die Leere auf den Strassen und Plätzen, dessen Stille von regem Gezwitscher gefüllt wird. Wir sind nie alleine. Doch und vor allem auch die Leere der Einsamkeit, der Erschöpfung, der Trennung von denen die man liebt, aber sie gerade aus Sorge um sie nicht sehen kann. 

Die Leere steht aber auch für die Scham, die wir empfinden werden, falls uns zukünftige Generationen fragen müssen, weshalb wir tatenlos zugesehen haben, statt die riesige humanitäre Katastrophe in den «Flüchtlingslagern» zu verhindern. Die Leere steht für unser zukünftiges Schweigen, falls wir erklären müssen, weshalb wir uns, trotz ausreichender Möglichkeiten, weigerten unserer Pflicht nachzukommen, und selbst unbegleiteten Kindern und minderjährigen Jugendlichen den benötigten Schutz, verwehrten.

Der kunstkasten ist derweil nicht leer, sondern erstrahlt insbesondere nachts in pinkem Licht. Diese ephemere Schicht, als einziges Überbleibsel des originalen Konzepts, verweist auf die (oft feminisierte) Sphäre der Sorge(-Arbeit), die die Gesellschaft in Zeiten wie dieser zusammenhält. Gleichzeitig soll er als einer der wenigen Orte, an denen zur Zeit kulturelle Äusserungen noch möglich sind, der Hoffnung Raum geben. Diese Zeit wird vorübergehen und mit etwas Geschick wird die Erfahrung gegenseitiger Abhängigkeit der kollektiven Sorge einen nachhaltigen Abdruck hinterlassen – ein Gefühl der Verbundenheit und Solidarität, besonders mit schwachen, ausgegrenzten und diskriminierten Gruppen in der Gesellschaft, denn ihnen gilt besondere Sorge. (Text: Hospiz der Faulheit)