Ein Ausstellungszyklus mit Finissage

In einer Kooperation mit der Villa Sträuli (Annelise Schmid und Gabriele Huggenberg) wurden die AiR (Artists in Residence) des Jahres 2019 eingeladen den kunstkasten im Rahmen des Jubiläumsprogramms für zwei Monate «zu besetzen». Insgesamt sieben Kunstschaffende liessen sich darauf ein. Entstanden ist ein fast zwei monatiger Ausstellungszyklus mit wöchigen Sequenzen. Ein Tag Umbau, sechs Tage Präsentation der jeweiligen Position. Der Abschluss bildet eine Finissage mit Dokumentationen der einzelnen Ausstellungen.

In der Villa Sträuli werden seit 2006 drei Wohn- und Arbeitsstudios von der Stiftung Sulzberg Kunstschaffenden zur Verfügung gestellt. Die stipendienunterstützten Aufenthalte stehen Kunstschaffenden aller Bereiche offen, solange der Lebensmittelpunkt nicht die Schweiz ist. Diese internationale Ausrichtung und die räumlich-zeitliche Bedeutung eines Aufenthaltes veranlasste die Anfrage des kunstkastens. Er fungiert als Gastgeber.

Die AiR sind temporär, für kurze Zeit in Winterthur. Diese ein bis dreimonatigen Aufenthalte sind wie Zeitfenster. Zwischenzeitliche Räume. Räume im Dazwischen. In diesem Sinne kann sich ein AiR durchaus als BewohnerIn eines Zwischenraumes verstehen. Oder gar als BesetzerIn eines Dazwischens.

 

Dazwischen.

Was ist dazwischen?

Ist das Dazwischen, mittendrin, zentral?

Von Rändern hereingebrochen?

Wer oder was definiert das Dazwischen?

Ist das Dazwischen eine Grauzone?

Sind Zwischenräume Grauzonen?

Kann Kunst dazwischen sein?

Ist Kunst dazwischen?

Wo befinden wir uns? Sind wir im Dazwischen?

 Dazwischen ist Raum, Raum ist dazwischen.

Leben wir nicht alle in einer vermeintlich raumreflexiven Zeit?

Sind wir doch alle global miteinander vernetzt. Dennoch tendieren wir heute mehr denn je dazu räumlich-imaginär zu leben, wahrzunehmen und zu erfahren.*

 Die AiR zeigen als Kunstschaffende ihre Arbeiten im kunstkasten, im öffentlichen Raum. Und trotz unserer aller Tendenz zum räumlich-imaginären Erleben könnte es hier zu einer physisch-realen Erfahrung kommen. Kunst bricht durch das Zeitfenster der AiR in den öffentlichen Raum. Eine Begegnung kann stattfinden. Publikum trifft auf Kunst. Kunst trifft auf Publikum.

Generiert das Dazwischen Raum? Begegnen wir uns im Dazwischen? Sind Zwischenräume Begegnungen?*

Jede der sieben Positionen steht für sich und hat ihren eigenen Reiz. Ein eigenes Fenster. Anhand von kurzen Beschreibungen wird im Folgenden eine Gesamtschau über den Ausstellungszyklus gegeben.

*Catrina Sonderegger über «Zwischenräume – Räume der Kunst oder ästhetische Erfahrungen im Dazwischen», Referat am «Sym|po|si|um» (Jubiläumsanlass am 11.5.2019 im/beim kunstkasten)

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Übersicht über den Ausstellungszyklus

 

7. – 12. September

«Air Alert» | Ekaterina Lupanova

Bildende Künstlerin aus Russland Ekaterina Lupanovas Interesse fokussiert auf der Erforschung von Mehrdeutigkeit und Unentschlossenheit von Klang und von der sichtbaren Umgebung. Dabei sollen nicht artikulierte Aspekte von Kommunikationssystemen aufgezeigt werden. Wie könnten diese nicht artikulierten Aspekte in der zeitgenössischen Welt mit ihrer Neigung zu Klarheit eingesetzt werden? Mit einer Audio-Installation und mit einer Performance am 7. September verfolgt Ekaterina ihr Interesse im kunstkasten.

 

  1. – 19. September

«WINTERTHUR TROPEERF» | Kristin Li

Bildende Künstlerin aus Kanada

Als Künstlerin erschafft Kristin Li experimentelle Geschichten, Animationen, Dokumentarfilme und Installationen, die zeitgenössische Ausformungen von Macht untersuchen. Ihre Projekte nehmen Familiengeschichten, Methoden und Institutionen aus dem Zusammenhang um zu zeigen wie diese uns einschränken statt unsere Absichten zu unterstützen. «WINTERTHUR TROPEERF» ist eine konzeptuelle Arbeit. Der kunstkasten wird zu einem umgekehrten Freeport (Zollfreilager).

 

  1. – 26. September

«Results? Aus dem ozeanischen Institut STARESO Korsica» | mp Warming

Bildende Künstlerin aus den USA

Die international tätige Künstlerin mp Warming forscht gemeinsam mit Wissenschaftlern, Architekten und Studierenden. Sie ist Gründerin der Art Science Exhibits artists‘ cooperative und hat in diesem Zusammenhang teils gross angelegte Ausstellungen zu naturwissenschaftlichen Themen kuratiert.

Kürzlich arbeitete sie als Künstlerin mit einem Taucherteam des STARESO Ocean Research Instituts auf Korsika zusammen. Sie kam dadurch zum ersten Mal mit der Tinte des Tintenfischs in Berührung und begann damit zu arbeiten. Im kunstkasten werden unter anderem Ergebnisse dieser Arbeiten gezeigt.

 

  1. September – 3. Oktober

«Murmurs» | Bunu Dhungana

Bildende Künstlerin aus Nepal

Erst als Bunu Dhungana die akademische Welt als Forscherin verlassen hatte, fand die Nepalesin zur Fotografie. Doch auch ihre Fotografien sind geprägt von ihrem früheren beruflichen Hintergrund als Soziologin. Ihr Interesse basiert teils auf eigenen Erfahrungen: Was bedeutet es, eine Frau zu sein inmitten einer patriarchalen, hinduistischen Gesellschaft? Wie spricht diese Gesellschaft über eine Frau, die sich Normen widersetzt? Ein neu entstehendes Video befasst sich mit aktuellem Tratsch und Gemurmel zum Thema sowie mit der Stimme im eigenen Kopf.

 

  1. – 10. Oktober

«Interfacing the non – #3»| Najrin Islam | Stefanie Knobel

Kunstkritikerin aus Indien | Künstlerin aus der CH

Während ihres Aufenthalts in der Villa Sträuli befragte Najrin Islam verschiedene Kunstschaffende und erkundete zeitgenössische Performance-Orte. Sie interessiert sich für Forschung, Kreation und Archiv aus der Sicht der Performance. Ihre Intention während ihrem Aufenthalt in der Schweiz war, alternative Begriffe für das Archiv zu finden. In Folge hat sie den Umfang des Archivs um das verkörperte Wissen (Embodied Knowledge) als einen Weg der Über- und Vermittlung erweitert. Während diesem Prozess kam es zu einem intensiven Austausch mit Stefanie Knobel. Daraus entstand eine Kollaboration. Stefanies Arbeit wirft Fragen von Arbeit und Technologie auf und verbindet diese mit taktilen Interventionen. In ihrem Projekt „Oh my silly, silly, silly mind! entwickelt sie durch 4 verschiedene Arbeiten eine postkoloniale Kritik von Baumwolle. Eine der 4 Arbeiten mit dem Titel «Interfacing the non – #3» verwebt Text und Textil in einen Dialog um Technologie. Stefanie zeigt diese Installation im kunstkasten und Najrin schreibt darüber.

 

  1. – 17. Oktober

«Burlesque» und «Mannequin» | Sagar Shiriskar

Filmemacher und Fotograf aus Indien

Sagar Shiriskars Kurzfilme und Fotografien zeigen ein vielfältiges Interesse auf. Unter anderem umfassen sie Portraits von Menschen und ihren Lebenswelten. Der Film «Burlesque» untersucht verschiedene Lebensabschnitte anhand von kurzen, beobachtenden Aufnahmen von Tieren. Sie werden im Film zur Metapher der Belanglosigkeit eines einzelnen Lebens aus der Perspektive eines grösseren Ganzen.

Die zweite Seite des kunstkastens trägt den Titel «Mannequin». Eine Schaufensterpuppe steht in einem Fenster eines Ladens, der Ausdruck teilnahmslos, gekleidet in einen Designer Sari; ein Hochzeitskleid, Unterwäsche; schon immer war die Puppe ein Symbol für den perfekten Körper, für die perfekte Mode, ein Objekt des Neids. Es ist jedoch ein unbeseeltes Wesen, ein lebloses Ding, das still steht, während die Welt an ihm vorübergeht.

 

  1. – 24. Oktober

«Luftblasen» | Haishu Chen

Bildender Künstler aus China

Chen Haishu ist in China geboren und lebt heute in Berlin. In seiner Arbeit setzt er sich kritisch mit der menschlichen Existenz, der sozialen Wahrnehmung und dem kollektiven Gedächtnis in unserer modernen Gesellschaft auseinander. Er arbeitet mit verschiedenen Medien und erzählt im kunstkasten eine fiktionale, visuelle Geschichte über das Wasser und das Phänomen der Kultivierung und Renaturierung von Landschaften. Wasser sei ein Element, welches in der Schweiz auf verschiedenen Ebenen grosse Bedeutung geniesse.

 

Finissage: 26. Oktober, 16.00h, kunstkasten Winterthur, Katharina-Sulzer Platz

Mit einem dokumentarischen Rückblick auf die einzelnen Ausstellungen.

Weitere Informationen zu den einzelnen Kunstschaffenden sind auf der Homepage der Villa Sträuli zu finden.

www.villastraeuli.ch